Tafel Deutschland vom 18.01.2023
Ehrenamt, Tafel Deutschland 18. Januar 2023
Eine Welt im Krisenmodus wirft im Jubiläumsjahr 2023 die Frage nach unserer Identität auf. Danach, was uns ausmacht, welche Rolle wir im Sozialstaat übernehmen (wollen), wie sich unsere Arbeit durch die Krisen verändert hat und was wir gelernt haben von den andauernden Herausforderungen.
Als 2018 die älteste Tafel Deutschlands, die Berliner Tafel, und damit auch unsere bundesweite Bewegung 25 Jahre alt wurde, haben wir uns gemeinsam mit unseren Mitgliedern vorgenommen, in Zukunftswerkstätten den Blick nach vorne zu richten, uns zu hinterfragen und neugierig zu schauen, wie wir uns weiterentwickeln können, was wir gelernt haben aus den Herausforderungen der Vergangenheit. Es ging um Themen wie Nachwuchsgewinnung im Ehrenamt, Digitalisierung, Finanzierung und Globalisierung der Tafel-Arbeit.
Fünf Jahre später sind diese Themen immer noch aktuell, doch die Welt ist eine andere, und sie provoziert neue Fragen.
Wir sind gehetzt und gestolpert durch eine globale, mehrere Jahre andauernde Pandemie. Die Tafel-Arbeit wurde von außen auf den Kopf gestellt. Aus Orten der Begegnung, des Zuhörens, des Zusammenseins wurden „kontaktarme Ausgabestellen“. Unsere Arbeit wurde auf ihren absoluten Kern reduziert: Umverteilung. Gute Lebensmittel vor dem Müll zu retten und an Menschen zu verteilen, denen es an so vielem fehlt. „Früher“ waren das öfters Menschen, die sich etwas Anderes leisten konnten, wenn sie bei uns sehr günstig Lebensmittel bekamen. Heute sind es oftmals Menschen, die sonst nicht wissen, was sie essen sollen. Die nicht mehr darüber nachdenken, ob das Geld für einen Kinobesuch, den Sportverein oder ein Geschenk für die Liebsten reichen könnte.
Heute haben der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die historische Inflation die Pandemie auf Platz Drei der Krisen verdrängt. Immer, wenn wir dachten: „Mehr schaffen wir nicht“, „so herausfordernd wie gerade war es noch nie“ – wurde es: mehr. Mehr Krise, mehr Herausforderungen und Probleme, mehr Arbeit, mehr Improvisation, mehr Anpassung. Aber auch: mehr öffentliche Wahrnehmung, mehr Zuspruch und mehr Unterstützung.
Tafel Deutschland vom 24.01.2022
Marler Zeitung am 27.12.2021